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Harfenspielerin im Dom / Titelbild
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Rückblick "wunderhoeren 2013"

Zweite Auflage des „wunderhoeren“-Festivals mit positivem Veranstalterfazit
Konzept mit alter Musik und Literatur im historischen Ambiente begeistert Besucher und Künstler

oppermann
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Rüdiger Oppermann im WORMSER. Foto: Bernward Bertram

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êdann hundert tûsent wunder hie in disem lande sint...
Mehr als hunderttausend Wunder sind hier in diesem Land...

Begleitwort von OB Michael Kissel

Der Minnesänger Walther von der Vogelweide beschrieb mit diesen Worten in seinem „Palästinalied“ das heilige Land. Mit dem Festival „wunderhoeren“, das in diesem Jahr zum zweiten Mal in Worms alte Musik und Literatur an historischen Orten präsentiert, beansprucht die alte Stadt am Rhein Anteil an der Wunderwelt europäischer Kultur. Die romanischen und gotischen Kirchen der Stadt beteiligen sich am Wiederaufleben jahrhundertealter Kompositionen und Dichtungen.
Die bewährten Partner von 2011 sind wieder mit im Boot. Angefangen bei der BASF als Hauptsponsor über die Medienpartner Wormser Zeitung und SWR 2 bis zum Wormser Altertumsverein, den Domkonzerten, den Dominikanern und der Kasinogesellschaft. Neue Partner sind hinzugekommen: die Bistumsakademie Erbacher Hof in Mainz, der Kultursommer Rheinland-Pfalz, der St. Albans Chamber Choir und die Abenheimer Veranstalter in der Klausenbergkapelle. Kooperiert wird mit den „Wormser Religionsgesprächen“, der Kulturnacht, dem Spectaculum, dem Nibelungenmuseum und den Wormser Schulen. Erstmals findet eine Uraufführung im Wormser Kulturzentrum statt: Der im Elsass lebende Harfenist und Komponist Rüdiger Oppermann hat die wunderbare Legende von der Reise des irischen
Heiligen Brendan zu den westlichen Inseln der Fantasie musikalisch bearbeitet und bringt mit einem internationalen Ensemble eine Uraufführung auf die Bühne.
Wer sich für Musik und Literatur von der Antike bis zur Renaissance interessiert, wird in dem vielfältigen und in der Region einzigartigen Programm sicher für sich etwas finden, das ihn hineinhören
lässt in andere Zeiten und Stimmungen. Ich lade Sie herzlich ein, in Worms die frühe Kultur Europas und ihre Begegnung mit anderen Kulturen der Welt an historischen Orten zu erleben.

Michael Kissel
Oberbürgermeister der Stadt Worms.



Von der Antike bis zu ihren Renaissancen

von Marc Lewon

Das erste „wunderhoeren – Tage alter Musik und Literatur in Worms“ 2011 stand ganz im Zeichen interpretatorischer Vielfalt: Über 11 Veranstaltungen hinweg präsentierten Ensembles und Solisten die unterschiedlichsten Herangehensweisen an „Alte Musik“ – da stand Musikarchäologie neben Cross-Over, historisch informierte Aufführungspraxis neben moderner Musik auf alten Instrumenten. Die ganze Bandbreite des heutigen Umgangs mit früher Musik war Thema des Festivals und zeigte, auf welche verschiedenen Arten die vergangenen Epochen heute noch berühren und begeistern können. Das zweite, diesjährige „wunderhoeren“ ist zwar wieder der Vielfalt verpflichtet, der Schwerpunkt aber hat sich verschoben: Zum einen entstammt die Mehrzahl der Ensembles dem Bereich der sogenannten „historisch informierten“ Aufführungspraxis. Hinter diesem etwas ungelenken Begriff, der zu sehr nach trockener Materie klingt, verbirgt sich in Wirklichkeit eine aufregende Welt, in der versucht wird, die Musik vergangener Epoche so wiederauferstehen zu lassen, dass sie mit den Mitteln und unter den Voraussetzungen der Zeit ihrer Entstehung funktioniert. Dass sie dabei gewissermaßen „von innen heraus funktioniert“ und deshalb heutige Hörer begeistern und bewegen kann, belegen die erfolgreichen Ensembles, von denen einige dieses Jahr zu hören sein werden. Natürlich finden aber auch alternative Aufführungskonzepte wieder ihren Platz im Festival und wir freuen uns mit VocaMe und dem großen Projekt von Oppermann & Ensemble zwei ganz spezielle Konzertprogramme aus diesen Interpretationsrichtungen vorstellen zu können.

Der eigentliche Focus von „wunderhoeren“ 2013 aber liegt auf den gespielten Repertoires und der Konzentration auf bestimmte Epochen: Zum einen wird eine große Spannbreite von Musik der griechischen Antike bis hin zum Frühbarock abgedeckt, zum anderen zwei bedeutende Epochenschwerpunkte gesetzt, nämlich die sehr frühe Musik von der Antike bis ins 12. Jahrhundert sowiedie Musik der Renaissance. Mit dem Ensemble Melpomen haben wir eine hochkarätige Besetzung gewinnen können, die nicht nur eine ferne instrumentale Klangwelt mit ihren Instrumentenrekonstruktionen neu zum Leben erweckt, sondern auch über das gesungene Altgriechische die Grundfesten der abendländischen Literatur und Musikkultur aus der griechischen Antike auf höchstem Niveau präsentiert. Benjamin Bagby begeistert mit seinem Ensemble Sequentia bereits seit über zwei Jahrzehnten mit Rekonstruktionen scheinbar verlorengegangener Musikepochen des frühen Mittelalters. Nun hat er sich Musik aus der Zeit der karolingischen Renaissance vorgenommen, der ersten nachantiken Rückbesinnung auf die antike Kultur. Rüdiger Opperman entführt die Hörer zusammen mit seinem Ensemble in eine keltisch-archaische Anderswelt mit einem Projekt, das in Worms seine Uraufführung erfährt: „The Brendan Voyage“. Der Reigen früher, einstimmiger Repertoires erreicht mit VocaMe einen weiteren Meilenstein, das sein Hildegard-Projekt mit Musik dieser berühmten Äbtissin des 12. Jahrhunderts nach Worms bringt. Einen Höhepunkt bildet das Konzert mit dem Hilliard Ensemble, das sein bereits legendäres Programm zu einem der frühesten Komponisten von Mehrstimmigkeit, dem Pariser Meister „Perotin“ aus dem späten 12. Jahrhundert, für „wunderhoeren“ neu auflegt und um eine Vorausschau auf die Polyphonie des größten Komponisten des 14. Jahrhunderts erweitert: Guillaume de Machaut.

Der zweite Schwerpunkt liegt heuer auf den Repertoires des 16. Jahrhunderts, der Epoche der Renaissance. Beginnend mit dem Eröffnungskonzert durch mein Ensemble Leones, bei dem wir uns freuen, die erste Blüte der Instrumentalmusik in der Zeit um 1500 durch Werke von Josquin Desprez und Alexander Agricola vorstellen zu dürfen, geht die Zeitreise über ein Konzert mit Musik aus der Reformationszeit, ausgeführt von der Capella Instrumentalis Sanctae Crucis (Leitung: Thomas Möller) gemeinsam mit Gesangssolistinnen, über ein weiteres Programm rund um Liederbücher des frühen 16. Jahrhunderts mit Christian Schmitt und seinem Solistenensemble bis zu dem Konzert des englischen St. Albans Chamber Choirs (Leitung: John Gibbons), der mit Musik der englischen Renaissance aufwartet. Das Marais Consort schließlich liefert eine musikalische Gesamtschau des 16. Jahrhunderts und wirft bereits einen Blick durch den Türspalt in die Zeit des Barock. Aufgestoßen wird diese Tür dann endgültig durch die Aufführungen der verbleibenden drei Besetzungen: Die Capella Vocalis (Leitung: Christian J. Bonath) trägt Gesangswerke der späten Renaissance und des Frühbarocks vor, das Trio Michael Schneider spürt der Grenze zwischen beiden Epochen nach und der Schriftsteller Reinhard Kaiser bringt mit „I Ciarlatani“ Literatur und Musik gemäß dem Motto des Festivals in inniger Verbindung durch Lesungen aus Grimmelshausens Werk und zeitgenössischer Musik auf die Wormser Bühne.
Eine wissenschaftliche Tagung um das jüngst in den Focus gerückte Wormser Passionsspiel sowie Instrumentalworkshops anlässlich des Wormser Spectaculums und eine abschließende, öffentliche Gesprächsrunde bilden einen begleitenden Rahmen zu den Konzerten und stellen sie in einen weiterbildenden Kontext, der einen fruchtbaren Nährboden für zukünftige Auflagen dieses erfolgreichen Festivals bilden soll.



Einladung zur Zeitreise für Jedermann

von Volker Gallé

Die Bestätigung des Bekannten gibt sich gern als Wahrheit aus, sei es im Guten oder im Bösen. Doch die durchaus lebensnotwendige Wiederholung schafft auch ein Schattendasein, das neue Erfahrung verhindert. Wird die Wiederholung vereinseitigt, macht sie uns krank. Andererseits bleibt uns Fremdes zunächst oft verborgen, stößt unser Verstehen, unseren Genuss zurück. Wenn es aber erschlossen wird durch Worte, Hinweise, Spiel, dann entdecken wir darin Eigenes, das auch in uns verborgen war – unbekannte Möglichkeiten. Der Übergang zwischen Bekanntem und Fremdem ist es, der Freude macht und das Lebensgefühl steigert, ein Übergang im Vertrauen jedenfalls, der selbstbestimmt bleibt. Das gilt für persönliche Beziehungen ebenso wie für Kulturen, gilt für Texte und Bilder ebenso wie für die Musik. Das Festival „wunderhoeren“ möchte daher nicht nur Kenner alter Musik und Literatur als Publikum gewinnen, sondern auch Zuhörer, die sich auf neue, ihnen vielleicht noch fremde Erfahrungen einlassen möchten. Ich will daher versuchen, Wege ins Neuland für Jedermann zu skizzieren und zwar aus persönlicher Erfahrung heraus.

In meinem Ethnologiestudium vor fast vierzig Jahren habe ich die Kraft des Verstehens erlebt, die das Gefühl ebenso wie den Verstand mitnimmt auf eine spannende Reise in neu erschlossene Welten. Damals kannte man in der populären deutschen Kultur zwar die afroamerikanische Musik, also Blues, Jazz und Rock, aber kaum ihre Wurzeln. Afrikanische Musiker waren in Europa fast unbekannt, jedenfalls soweit sie traditionell Musik machten. Ich hatte durch Nachahmung und die in der Folk- und Bluesbewegung neu genutzte Tabulaturschrift, bei der nicht Noten auf fünf Linien, sondern die Zahlen der zu greifenden Bünde auf sechs die Gitarrensaiten verkörpernden Linien lesbar gemacht wurden, das Fingerpicking mit dem dazugehörenden Swing mühsam erlernt. Tabulaturen wurden übrigens unter anderem auch ab etwa 1500 für die Weitergabe von Lautenkompositionen genutzt und waren etwa dreihundert Jahre lang für Saiteninstrumente in regem Gebrauch, bevor sie durch die moderne Notation abgelöst wurden. Ich hatte also ein altes Bildungselement kennengelernt und mit nachahmendem Hören von Musik über das „Feeling“ verbunden. Der Grazer Musikethnologe Alfons M. Dauer, der die afrikanischen Quellen von Blues und Jazz erforscht hatte, spielte uns unter anderem afrikanische Musikstücke vor, die auf Balafonen (Stabspielen ähnlich dem Xylophon) südlich der Sahara komponiert wird. Ich verstand nichts und hatte keinen Kunstgenuss. Dann erklärte er uns das polyrhythmische System, bei dem zwei oder mehrere rhythmische Muster ineinander komponiert sind und eine rhythmisierte Melodie ergeben, die zwar von allen gehört, aber von niemandem gespielt wird. Wenn wir uns von unserem stark vereinfachten Taktsystem einmal frei machen und dessen Grundformen zum Verstehen benutzen, wird schnell klar, was gemeint ist: Wenn man zum Beispiel einen „Dreier“ gleichmäßig über einen „Zweier“ laufen lässt, entsteht dieses Ditte; X steht für einen betonten und 0 für einen unbetonten Schlag.

Zweier
X 0 X 0 X 0
Dreier
X 0 0 X 0 0
Summe
X 0 X X X 0


Sie können es zu zweit mit Klatschen ausprobieren. Sie hören die Summe, obwohl das niemand klatscht. Die afrikanische Polyrhythmik ist natürlich viel kunstvoller, arbeitet mit viel längeren rhythmischen Parts und mit viel mehr Stimmen. Aber so habe ich mich in diese Musik eingehört und sie Schritt für Schritt kennen und lieben gelernt. Dabei habe ich dann auch verstanden, was die parallele, aber in einzelnen Körperteilen unterschiedliche Rhythmisierung eines menschlichen Körpers bedeutet und dass sie besondere Empfindungen und Bilder auslöst, die weit über das Hinausgehen, was wir heute als Tanzlust nachahmen und allzu oft nur sexuell deuten oder in plumper Wiederholungsekstase versinken lassen. Da werden Geschichten erzählt, da gibt es Heilungsmöglichkeiten für verspannte Körper. Und ich habe auch gelernt, wie der Swing entsteht, den meine Gitarrenschüler oft trotz richtigem Nachspiel von Tabulaturen nicht hinbekommen haben, weil sie im Takt dachten statt im Rhythmus. Bei afrikanischen Saiteninstrumenten wie der Kora (einer Harfe aus Westafrika) werden die Saiten mit den Daumen von links und rechts bespielt. Überträgt man das auf die Gitarre beim Fingerpicking – so ist diese Technik in Amerika auch einmal entstanden – , dann spielt man die die Melodielinie des Zeige- und Ringfingers in die Basslinie des Daumens hinein. Dadurch entsteht der schwebende dritte Klang des Swing.

Ich habe bisher sehr wenig Literatur über die Wirkung von Musik gefunden, also jenseits des Handwerklichen: Über das Erleben bestimmter Stücke oder musikalischer Muster im Seelischen und Körperlichen, über die Bilder und Erzählungen, die dabei entstehen, und zwar selbst erlebt und formuliert und im Diskurs verglichen und nicht aus alten Lehren übernommen und doziert. Aber genau das ist es, was Freude machen kann an der sich globalisierenden Welt mit ihren verschiedenen Kulturen, die ins Gespräch kommen. Und dabei lernen wir immer wieder nicht nur neue Möglichkeiten in uns kennen, sondern auch vergessene Quellen der eigenen Kultur.
Das zu zeigen und Hinweise für den Weg der Beobachtung zu geben, dafür ist „wunderhoeren“ als Festival alter Musik und Literatur an historischen Orten in Worms angetreten. Neu und über die Einführungen, ausführlichen Programmhefte und pädagogischen Angebote im Nibelungenmuseum und in den Schulen hinaus werden entsprechend diesem Konzept im Jahr 2013 Instrumentalworkshops für Drehleier, Dudelsack und Nyckelharpa im Rahmen des Spectaculums (vor allem Schnupperkurse) und ein Erzählcafé mit unserem künstlerischen Leiter Marc Lewon und mir am 4. Juni, bei dem Erfahrungen formuliert, nachgefragt und besprochen werden sollen, angeboten.

Ich will ein paar Beispiele nennen, die mir aufgefallen sind: Angelehnt an keltischen Folk habe ich immer gern auf der Basis von Quinten über einem Bordunton Melodien improvisiert, am liebsten auf dem Grundton D. Das ergab Melodien in der dorischen Tonart (die weißen Klaviertasten von einem D zu einem D eine Oktave höher). Dabei fühlte ich mich stets so, als ob ich die Arme waagrecht ausgebreitet hätte wie der vitruvianische Mensch von Leonardo da Vinci, eine häufig abgebildete Proportionsstudie aus der Zeit um 1490. Der Musikwissenschaftler Hermann Pfrogner schrieb 1976 in seinem Buch „Lebendige Tonwelt“ meines Erachtens treffend über die Quinte, sie habe eine „franke Offenheit, das ruhige Geltenlassen dessen, was ringsum sich zeigt.“ (S. 264). So könnte ich mein Gefühl auch beschreiben, das nicht nur durch die Musik entsteht, sondern auch durch die dazu passende Körperhaltung, die ich zugegebenermaßen auch schon mal in eurhythmischen Lehrstunden der Anthroposophie ausprobieren konnte. Pfrogner berichtet auch von den Deutungen des Dorischen in der Antike durch Plato als „mannhaft“ (S.111). Soweit es die spätere Kirchentonart des Dorischen betrifft, empfinde ich eher ein Hinstellen und Zulassen, ein teilnehmendes Beobachten und es erreicht seine musikalische Wirkung eher in der Abwärtsbewegung – erst bei solche Melodien habe ich den Eindruck, dass sich die typische Halbtonposition zwischen dem 2. und 3. Ton der Tonleiter besonders wirkungsvoll entfaltet. Das sind sicher dilettantische Suchbewegungen, aber genau das scheint mir wichtig, wenn man sich alter Musik nähern möchte.

Die alten Skalen, von denen Dur und Moll nur Sonderfälle sind, finden sich aber auch in der Musik anderer Kulturen und sie wurden im modalen Jazz gern aufgegriffen. So heißt es bei Wikipedia:
„Das Dorische wurde in der christlichen Kirchenmusik des Mittelalters, aber auch im Minnesang (z.B. bei Neidhart) und in Volksliedern verwendet. Die dorische Leiter ist besonders typisch für die keltisch-angelsächsische Folklore. So existieren einige traditionelle irische Musikstücke in diesem Modus, z.B. „Drowsy Maggie“. Beispiele für die Verwendung der dorischen Tonleiter im Volkslied sind „What shall we do with the drunken sailor“ und „Scarborough Fair“. Heute noch findet man es sehr oft im Jazz (bekannteste Aufnahme: „So What“ auf dem Album Kind of Blue von Miles Davis). Zwei Beispiele aus der Popmusik sind „I feel love“ von Jimmy Somerville, das in a-Dorisch geschrieben ist, und das in h-Dorisch verfasste „Sweet Lullaby“ von Deep Forest. „Mad World“ von Tears for Fears (gecovert von Gary Jules) ist e-dorisch. Auch der Refrain bei „Stayin Alive“ von den Bee Gees, „Billie Jean“ von Michael Jackson und „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd stehen im dorischen Modus. Besonders häufig verwendet wurde die dorische Tonleiter in der Instrumental-Improvisation in der Rockmusik der siebziger Jahre. Die dorische Tonleiter passt unter anderem deswegen gut in die Rockmusik, da sie viele gemeinsame Töne mit der Bluestonleiter hat, wie etwa die kleine Terz und die große Sext. Wichtige Beispiele finden sich etwa auf der zweiten Hälfte des Albums „Live At Fillmore East“ von der Allman Brothers Band oder bei Pink Floyd in dem Instrumentalstück „Any Colour You Like“ von der LP The Dark Side of the Moon.“

Ein anderes Erlebnis, das vom Singen herrührt, ist die Erfahrung, dass das heutige Hören der um 1100 noch monophonischen Musik des Mittelalters uns vom Korsett der modernen Liedform befreit, die sich durch die auf jeweils wenige Takte begrenzte Form a a b a kennzeichnen lässt. In der frühen Musik des Mittelalters entfaltet sich dagegen die komplexe Melodie entlang der Textzusammenhänge und verspielt über einem Grundton, der auch nur gedacht sein kann. Es ist, als ob man singend aus einem Wald hinaustritt in die Steppe und sich aufrecht dem Licht stellt. In den folgenden Jahrhunderten treten eine zweite und weitere Stimmen hinzu, die miteinander ins Gespräch kommen. Im konzertanten Zusammenhang von heute halte ich es für sinnvoll, Texte nicht nur im Programmheft komplett und übersetzt abzudrucken, sondern auch auszugsweise im Konzert zu lesen und zwar nicht nur vorzulesen, sondern zu rezitieren. Daher versucht das Programm immer wieder Musiker und Rezitatoren zusammenzubringen. Andererseits sollten Erklärungen stärker der Einführung vorbehalten sein als dem Konzert, weil sonst leicht künstlerische Bögen unterbrochen werden. Die guten Ensembles sind heute dazu in der Lage, alte Musik nicht nur zu präsentieren und anzudeuten, sondern kunstvoll und eigen zu interpretieren, zum Beispiel durch improvisierte Verzierungen, expressive und dynamische Textdeutungen oder die Aufwertung der Begleitinstrumente.

Das Festival alter Musik und Literatur lädt jedermann ein, sich darauf einzulassen, Geschichte an passenden Orten zu hören und dadurch anderen Zeiten und sich selbst näher zu kommen. Auch wenn die alte Architektur verändert ist, wenn wir in Kirchen sitzen und nicht stehen, wenn mehr konzertiert wird als ritualisiert, bleiben dennoch wesentliche Erfahrungsbrücken. Alle Programme bieten Neues im Alten, laden ein zu einer Zeitreise, die man so nur an diesen Orten und mit diesen Musikern erleben kann. .




Die Wormser Museumswoche
„Alte Musik und Literatur“ für Schulklassen

von Dr. Olaf Mückain

Der höfische Spielmann des Mittelalters hatte viele Berufungen. Er war nicht nur Geschichtenerzähler, Dichter und Musiker, sondern auch Schauspieler, Tänzer und Zauberer. Im Nibelungenlied schickte Etzel seine Spielleute sogar als Diplomaten an den Burgundischen Königshof nach Worms.
Während unserer Museumswoche vom 8. bis 12. April 2013 werden wir einen solchen „Mittelalter-Allrounder“ in den malerischen Innenhof des spätromanischen Andreasstifts bitten. Seine Darbietung ist eine von vielen attraktiven Veranstaltungen, welche das hier vorliegende pädagogische Programm für Euch und Sie bereithält.
Gemeinsam freuen wir uns auf eine zweite Runde von „wunderhoeren“. Das Nibelungenmuseum begleitet das Wormser Festival für alte Musik und Literatur erneut mit Konzerten, Vorträgen und Workshops für Schulklassen aller Altersstufen und Schultypen. Das Programm orientiert sich dabei an den Lehrplänen der Unterrichtsfächer DEUTSCH und MUSIK. Die Angebote sind für Schulklassen kostenfrei.
Von welchen Wundern und Mären der Spielmann uns wohl zu berichten weiß? Wir laden Euch und Sie zu „Wunderhoeren“ und „Wundersehen“ ganz herzlich ein.


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